Montag, 8. Oktober 2012

Neues Kapitel

Ein neues Kapitel hat begonnen. Schon wieder. Nach JKL habe ich das unangenehme Kapitel "Masterthesis" mal einfach übersprungen.
Woran man merkt, dass ein neues Kapitel begonnen hat? Bei mir zieht das meistens einen Ortswechsel mit sich. So bin ich nun in der Stadt Nr. 5 seit Beginn meines Studiums angekommen. Der Pott wird jetzt für die kommenden zwei Jahre mein Zuhause sein. Das Kapitel könne "Der erste Job" heißen. Oder "Das Leben im Pott". Oder "Auf eigenen Beinen stehen". In Erinnerung an den Sommer würde ich es gerne "I will fellow them" nennen. "Them" sind die Kinder einer Gesamtschule, an der ich nun seit den Sommerferien als Fellow arbeite.
Hier einen kurzen Exkurs zu der Spezies "Fellow":
Fellow lässt sich gerne mit Wegbegleiter oder Gefährte übersetzen. Letzteres ruft in mir immer eine starke Assoziation mit dem ersten Teil von "Herr der Ringe" hervor und wenn ich mir dann vorstelle, einer der Hobbits zu sein oder ein Elb oder ein Zwerg... naja, ich denke ihr sehr die Schwierigkeit. Anderorts wird ein Fellow auch mit dem Begriff Kumpel bezeichnet, allerdings ist das im Ruhrpott sicher nicht so wirklich das, was man damit ausdrücken möchte. Ich bin also ein Wegbegleiter.
Was genau so ein Wegbegleiter macht, versuche ich noch herauszufinden. Generell setzen sich Fellows für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit an deutschen Schulen ein. Klingt erst einmal ganz einfach. Was es aber im speziellen bedeutet, ist etwas komplizierter. Während meiner Bewerbungsphase habe ich einen anderen Fellow gefragt, wie so ein typischer Tagesablauf aussieht und die einzige Antwort, die er mir darauf geben konnte war: "Es gibt keinen typischen Tagesablauf. Jeder Tag ist anders." Damit sollte er Recht behalten. In diesem Sommer haben 78 neue Fellows angefangen zu arbeiten und es ist nicht gelogen wenn ich sage, dass kein Stundenplan dem anderen gleicht.
In meinem Fall stehen im Stundenplan viele Stunden Einzelförderung in verschiedenen Fächern, wobei Einzelföderung auch mit mehr als einer Person stattfinden kann. Die Förderung läuft parallel zum eigentlichen Unterricht und dient dem Zweck lernschwächere Schüler/innen stärker zu unterstützen.
Ansonsten gestalte ich zusammen mit einer Lehrerin den Unterricht in einem Kurs. Wir ergänzen uns gut, sie bringt den pädagogischen Hintergrund und die Erfahrung im Umgang mit Schülern und im Unterrichten mit und ich die fachliche Kompetenz. Wer hätte gedacht, dass ich jemals Wirtschaft unterrichten würde. Und Spaß dabei hab!
Dazu kommt noch eine AG und diverse Mittagsangebote und eh man sich versieht, ist das Stundenkontingent auch schon verplant!
Ende.

In den letzten Wochen ist also viel passiert. Ich habe gefühlte 100.000 neue Leute kennen gelernt und von den Namen 99.900 wieder vergessen, davon 800.000 die ich im Leben noch nie gehört hatte. Der eine hat den Vornamen, den der andere als Nachnamen hat, Namen die auf -a enden sind in den meisten Fällen eben doch nicht weiblich, und es gibt tatsächlich erstaunlich viele Justins, Kevins, Michelles und Chantals, aber damit liegt man nunmal auch nicht immer richtig. Trotz allem ist mein Namensgedächtnis erstaunlich aufnahmefähig, da könnten sich einige Schüler eine Scheibe von abschneiden! Ich werde ständig nach meinem Namen gefragt, auch von Schülern, die ich ständig sehe. Die müssen sich doch eigentlich nur einen Namen merken.
Wo die Kleinen noch sehr neugierig sind, macht sich bei den Älteren die Gleichgültigkeit bemerkbar. Während die 5er die Anwesenheit einer neuen Person sofort wahrnehmen und alles wissen wollen, nehmen die 10er einen Neuling eigentlich gar nicht wirklich wahr. Und wenn doch, dann interessiert es sie nur, ob man verheiratet ist...
Aber sie sind ja alle ganz toll. 
Eine Schülerin der 10 fragte mich, ob ich mit ihnen auf Klassenfahrt fahren würde. Als Reaktion auf meine Bestätigung sagte sie nur: "Das ist ja süß". Was sie mir damit wohl sagen wollte?
Naja, die gleiche Schülerin erzählte mir am Ende der Fahrt, dass ich, von den Lehrern die mitgefahren sind, die netteste Lehrerin sei. Danke für das Kompliment. Ich hätt ihr gerne noch gesagt, dass ich ja auch nicht diejenige war, die die Saktionen verteilen musste, aber da wurden wir unterbrochen. Na, soll sie mal in dem Glauben bleiben.
Es gibt viele Momente im Schulalltag, die mich glauben lassen, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe: Wenn C. es schafft am Ende der Stunde die doppelte Strecke zu schwimmen wie zu Beginn der Stunde, wenn G. ankommt und mir sagt, dass sie mich vermisst hat, wenn J. beim Vokabeln abfragen keinen Fehler macht, wenn 9er am Ende der Stunde fragen, ob sie ein Plus oder ein Minus bekommen haben... dann glaubt man schon, dass man die Welt verändern kann. 
Zumindest die der ein oder anderen Person.